Heute hab ich eine kleine Geschichte für Dich. Eine wahre Geschichte.
Es war einmal eine Frau namens Anselma. Sie war eine sehr gewöhnliche Frau, Ehefrau und Freundin. Sie liebte Musik – und Menschen.
Es machte sie traurig, daß es in dieser Gesellschaft so viel Zwietracht gab. An so vielen Stellen herrscht Streit und ein zerstörerischer Wettbewerb. Schon als Kind erlebte sie etwas Magisches: Die Disharmonie verschwand, wenn Leute zusammenkamen, um miteinander Musik zu machen. Die störenden Unterschiede verblassten dann. Jeder gab sein Bestes, um schöne Kunst zu schaffen.
Sie beschloss, ihr Leben diesem wunderbaren Ding zu widmen: Musik.
Sie lebte in einer Stadt in Deutschland und war in einem Orchester engagiert, als man sie fragte, ob sie nicht Kinder unterrichten wollte. Sie war sich nicht sicher, ob sie für diesen Posten geeignet war, wagte aber den Versuch. Dabei stellte sich schnell eines heraus: Ihre Schüler mochten die Stücke nicht, die zur Verfügung standen. Sie stöberte alles auf, was sich finden ließ, aber nur wenige Dinge erwiesen sich als nutzerfreundliche Fagottmusik, die für unsere Zeit heute geeignet war.
Die Jahre vergingen, sie spielte in einem anderen Orchester, lebte in einer anderen Stadt, in einem anderen Land. Da wurde sie abermals gefragt, ob sie nicht Lust hätte, Kinder zu lehren. Und wieder war sie sich unsicher, ob sie für so eine Aufgabe die richtige Besetzung wäre. Denn ihr Lebenstraum war ja, die Magie der Umwandlung von Disharmonie in Harmonie zwischen Menschen mitzuerleben. Wie schön war es, dabei zu sein, wenn persönlicher Kleinkram einfach so verschwand in dem gemeinsamen Bemühen, feinste Musik entstehen zu lassen.
Wie kompatibel würde das Lehren mit ihrem Ziel sein?
Am zweiten Tag ihrer neuen Unterrichtstätigkeit traf sie eine Entscheidung. Sie konnte
1.) das übliche Minimum als Lehrperson machen. Den Lehrjob als unwichtigen Nebengig einstufen, der nicht wirklich spannend war. Oder
2.) sich voll reinhängen und hier und heute als Gelegenheit sehen, in ihrem kleinen Bereich, die Welt ein Stückchen besser zu machen.
Die Welt, das sollte ein Ort sein, wo es mehr Glück für Kinder gab, weniger Zwietracht, weniger Streit und weniger Mißgunst durch zerstörerischen Wettbewerb.
Dieses Lehrding sollte ein Stückchen Kultur werden, wo es um ein gutes Miteinander ging.
Es zeigte sich schnell, daß es einen Bedarf an geeigneter Literatur für Schüler gab. Komposition hatte sie nicht studiert. Sie hatte auch keine finanziellen Rücklagen. Geschweige denn eine einflußreiche Person im Rücken, die ihre Arbeit in irgendeiner Form gefördert, protegiert oder gutgeheißen hätte. Sie stand ganz allein.
Was sie hatte, war ihre Liebe zur Musik – und für Menschen.
Melodien tauchten in ihrem Kopf auf, sobald sie an einen Schüler und dessen nächsten Lernschritt in der Musik dachte. Sie begann, diese niederzuschreiben. Weil sie eine ganze Menge Schüler hatte, die eine ganze Menge Lernschritte zu berappen hatten, sammelten sich so hunderte von Musikstücken über die Jahre an, die sie alle gewissenhaft niederschrieb.
Eines Tages zeigte sie ihren Kollegen diese Notizen.
Da wollten sie Kopien dieser Stücke haben. Sie gab stapelweise Kopien kostenfrei, einfach als Geschenk weiter. Sie bemerkte, daß diese Arbeit, die sie so still zu Hause und ungesehen von der Welt mit Ruhe und Hinwendung gemacht hatte, auch für andere einen Wert hatte.
Damit mehr Leute Zugang dazu haben konnten, gründete sie am 1. September 2009 einen Musikverlag. Mit dem, was sie sich selbst beigebracht hatte. Das war vor genau 15 Jahren.
Sie wurde verlacht für diese Idee.
Es rief eine Fagottistin, die selbst lehrte, eigens bei ihr an, um ihr mitzuteilen, wie schlecht sie diesen Schritt fand. In ihrer Familie erntete sie Spott und Hohn dafür.
Dennoch: sie wußte, diese Musik öffnet Kindern, anderen Fagottisten sowie lieben Menschen das Herz. Das genügte ihr schon, um weiterzumachen.
Drei Jahre später erhielt sie den begehrten Exportförderungspreis der Europäischen Union, um europäische Kultur in nicht-europäischen Ländern zu repräsentieren. Die International Double Reed Society (IDRS) stellte ihre Notenhefte einem weltweiten Publikum vor – unter dem passenden Titel „The Return of User Friendly Bassoon Tunes“ (= „Die Rückkehr nutzerfreundlicher Fagottstücke“).
Viele ihrer Kunden wurden zu lieben Freunden.
Und als diese Bande sich weiter vertieften, dachte sie darüber nach, was sie zu einem besseren Menschsein dieser Besonderen beitragen konnte, deren Leben sie berühren durfte. So startete sie eine monatliche Kolumne, die zu ihrem Erstaunen eine breite Leserschaft fand. Sie fand Anklang mitten im lauten, chaotischen Rauschen der Welt, in der oft gesagt wird: Lesen ist tot! Nun, das ist es nicht.
Heute inspiriert Anselmas Lebenswerk nicht nur Menschen, die ihr Bestes geben, um schöne Kunst zu schaffen. Sie erreicht auch Eltern, Großeltern, Händler, Lehrer aller Art und verschiedenster Instrumente, Musikliebhaber, Amateure und Profis ganz unterschiedlicher Niveaus und Lebenshaltungen. Was sie sehr stolz macht.
Das Ganze stellte sich als eine sehr ungewöhnliche Reise für so eine gewöhnliche Frau heraus. Das hatte sie sich nicht erwartet.
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Ich danke allen von ganzem Herzen, die diese fantastische Reise, an die ich selbst nicht geglaubt hätte, möglich gemacht haben. Weil Du hier bist und diese Arbeit unterstützt, können wir dies alles machen.
Danke für das zahlreiche Weiterschicken dieser Kolumnen an Deine Freunde und danke fürs Spielen unserer Musik – mit so unendlich viel Herzblut und Engagement.
Ich fühle daß ich genau da bin, wo ich hingehöre und mein Herz hüpft vor Freude, wenn ich an dieses märchenhafte Abenteuer denke. Mit der selben Leidenschaft, mit der wir das alles hier aufgebaut haben, werden wir auch in Zukunft ans Werk gehen. Und ich bin voller Vorfreude, was die Zukunft von Anselma Music uns noch so alles bringen wird.
Ich versichere Dir, daß wir niemals aus den Augen verlieren werden, was uns von Anfang an motiviert hat: die Liebe zur Musik – und zu Menschen.
Danke, daß Du diese Zeilen liest,
danke, daß es Dich gibt!
Anselma