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Gefälligkeiten

Die grundlegende europäische Idee, die alle staatlichen Systeme trägt, ist, Unterstützung zu geben. Das war mir nicht bewußt – verstand ich aber schnell, als mein Orchester eine Tournee nach Indien machte. Als Künstler lebten wir in den luxuriösesten Hotels, mit riesigen Zimmerfluchten und Marmorbädern. Niemals zuvor war ich in so derart eleganten Locations untergebracht! Wir fuhren in klimatisierten Bussen durch die Gegend und erlebten all die Annehmlichkeiten, die man sich nur vorstellen kann, wie Blumenkränze für die Damen des Orchesters und Menüs mit 9 Gängen nach dem Konzert.

 

Klar, Indien hat seine Eigenheiten. Eine davon ist, daß vieles nicht funktioniert, wie sich das ein Europäer so vorstellt. So spielten wir in New Delhi eine Schubert Symphonie ohne Pauken und in der Provinz Assam wurde uns kein Kontrabass gestellt. Die Bassisten spielten also an diesem Abend Karten. Ein anderes Mal konnte eine geplante Probe nicht stattfinden. Dafür gab es kein großes Hindernis. Bloß der Mensch mit dem Schlüssel zum Saal war in „Indian time“ unterwegs. Für ihn macht 12 Uhr mittags oder 8 Uhr abends keinen Unterschied – so lange es doch am selben Tag war…

Wenn wir keine Konzerte oder Proben spielten, staunten wir Bauklötze über die lokalen Gepflogenheiten und Sitten. Millionen von Leute leben auf der Straße. Sie schlafen auf dem Beton, direkt neben der Fahrbahn. Sie haben kein fließendes Wasser. Sie besitzen ein Gewand, nämlich das, das sie gerade tragen. Sie leben auf der Müllhalde in der Hoffnung, dort was Essbares zu finden.

 

Ich begann zu verstehen, was ich da sah, war das Resultat einer Gesellschaft, in der jeder nur an sich denkt. Es gibt kein soziales Netz. Es gibt keine Notstandshilfe, keine Krankenversorgung, keine städtischen Wärmstuben oder Einrichtungen, an die man sich wenden kann, wenn man verarmt.

Die Hindu-Kultur sagt: Alles, was Du erlebst, ist das Ergebnis Deiner eigenen Taten. Widerfährt Dir Pech oder Ungerechtigkeit, handelt es sich um eine Retourkutsche Deiner bösen Handlungen der Vergangenheit.

Das bedeutet, die generelle Mentalität besagt: Alles Deine Schuld!
Du bist arm? Deine Schuld!
Du hast kein Dach überm Kopf? Deine Schuld!
Du bist krank? Deine Schuld!

 

Aber halt! Was ist, wenn eine Person keine Schurkereien begangen hat und eine komplett blütenweiße Weste aufweist?

Nun, dann wird ihnen gesagt: All das Übel, das Du erlebst, ist TROTZDEM Deine Schuld. Dann ist die Wurzel dessen in den Missetaten aus einer früheren Lebzeit zu finden! Woran sich natürlich kein Mensch erinnern kann. Und somit wird es niemals auch nur den geringsten Beleg dafür finden, daß das tatsächlich stimmt.

Als mir das klar wurde, dachte ich, es gibt wohl keine grausamere Haltung, die man als Mensch jemals einnehmen kann. So eine Mentalität ist in Indien normal. Keiner hilft irgendwem, keine Hilfe, keine Gefälligkeit, keine Unterstützung. Kein gar nix.
Jeder lebt in Isolation, jeder leidet in Isolation.

Um diese Zeit im Jahr können wir deutlicher als sonst spüren, wie kostbar es ist, für andere dazusein. Anderen den Rücken zu stärken und ihnen unter die Arme zu greifen läßt uns selbst wachsen und macht unsere Welt harmonischer, sinnerfüllter und menschlicher.

 

Schönheitsikone und Schauspielerin Audrey Hepburn sagte: „Wenn Du älter wirst, entdeckst Du, daß Du zwei Hände hast – eine um Dir selbst zu helfen, eine um anderen zu helfen.“

Warum das nicht probieren? Machen wir das doch.
Nicht weil wirs müssen, sondern weil wirs können.

Ich wünsch Dir eine schöne Zeit mit Deinen Lieben,
herzlichst,
Anselma

p.s. Du brauchst noch gut spielbare Weihnachtslieder? Diese hübschen Trios hier sind so leicht, daß man sie auch am Fagottino gut hinkriegt! 😇

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Interview mit Nikolaus Maler

Nikolaus Maler ist Solofagottist in der Rheinischen Philharmonie Koblenz und unterrichtet als Professor eine Fagottklasse an der Musikhochschule Nürnberg. Sein YouTube Kanal „Fagottmusik“ hat eine große Fangemeinde und er ist  bekannt für seine Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber. Ihm wurden bereits einige musikalische Werke gewidmet und er setzt sich engagiert und mit Herzblut für junge Nachwuchskünstler ein.

 

 

 

 

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Wieder Montag

Vor einiger Zeit las ich einen Artikel über einen Unternehmer, der an seine Mitarbeiter T-Shirts mit der Aufschrift TGIM verteilte. Dies ist ein Acronym und steht für „Thank God It’s Monday“, also „Gottseidank, es ist Montag“.

Wir verbringen so viel unserer Lebenszeit im Job, daß ich es gut finde, wenn wir uns ab und zu dran erinnern, daß einer sinnvollen Arbeit nachgehen beinahe synonym ist für ein sinnvolles Leben zu leben.

 

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Interview mit Dag Jensen

Dag Jensen ist ein weltbekannter, einzigartiger Fagott-Virtuose. In Norwegen geboren, war er erst Orchestermusiker, gewann zweimalig den ARD Wettbewerb und avancierte dann rasch zum gefeierten Kammermusiker und Solisten, der mit namhaften großen Orchestern und hochkarätigen Dirigenten konzertierte. Durch seine zahlreichen wundervollen CD-Aufnahmen inspiriert er die Fagottwelt und stellt auch neues, weniger bekanntes Repertoire in den Fokus. Dag Jensen prägt nicht nur durch sein einzigartiges Schaffen neue Standards sondern auch als Fagott-Professor an der Academy of Music Oslo und an der Musikhochschule München.

Lieber Dag, natürlich kannte ich Deinen Namen schon, als ich im 1. Fagott Lernjahr war! Als ich das erste Mal Deine legendäre Einspielung vom Jolivet Konzert gehört hab, eröffnete sich für mich eine ganz neue Dimension, was Fagott spielen bedeutet. So ein farbenreicher, nuancierter Klang, vereint mit derartiger Perfektion waren mir neu. Ich weiß noch, wie ich mir diese Aufnahme ununterbrochen angehört habe, in Endlosschleife (ja, echt!! 😃) – sie faszinierte mich unheimlich und ich wollte jede Nuance aufsaugen.

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Unter Vollgas-geben gehts nicht

Der Herbst kommt und mit ihm eröffnen sich neue Möglichkeiten. Wie wird das werden?
Wirds mühselig, wieder die gewohnte Arbeit aufzunehmen?
Blasen wir Trübsal, weil ein Stück Freiheit, das wir im Sommer schnuppern, wieder futsch ist?
Oder hat es durchaus seinen Reiz, sich in eine neue Runde Abenteuer zu stürzen?

Wenn die Blätter fallen, kommt der Himmel ein Stück näher.
So sehe ich das. Und so mag ich diese Zeit mit ihrem frischen Ausblick.

 

 

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Worte wandeln Welten

Als Teenager wurde ich einer eleganten Lady vorgestellt, die ich für ihre Klugheit schätzte und bewunderte. Sie wurde meine Mentorin, ein großes Privileg, für das ich bis heute dankbar bin. Ich suchte mir immer Leute, die ich als Helden ansah und bemühte mich, von ihnen zu lernen. Statt Krimis las ich Biographien. Ich wollte verstehen, wie es Leuten gelang, herausragende Persönlichkeiten zu werden, indem sie die Schwierigkeiten ihres Lebens meisterten.

Diese Dame hat für mich einen besonderen Platz, da sie die einzige Erwachsene in meinem Leben war, die mir früh vermittelte, daß Ungehorsam der Schlüssel zu einem besseren Menschsein ist.
Eine menschlichere Welt erschaffen wir NUR, wenn wir aufhören zu gehorchen.

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Wo sitzt das?

Als ich Studentin war, leitete ein Paukist ein Probespieltraining. Geduldig hörte er dem teilnehmenden Fagottclan zu, wie wir unsere Mozarts und ein paar Orchesterstellen runterschnurrten und sagte dann etwas nachdenklich:

„Ich stelle mir grad vor, wie das zu Mozarts Zeiten war. Pferdekutschen, kein Radio, kein Fernsehen, keine Geräte. Stille. Etwas anzuhören braucht Raum. Zu der Zeit hatten die Leute Zeit – so gut wie niemand hatte eine Uhr. Warum spielt ihr das dann so schnell? Wir sind so derartig dran gewöhnt zu hetzen, daß wir die Musik umbringen. Schneller, schneller und schneller. Unsere Ohren kriegen einen Geschwindigkeitsrausch. Aber zu welchem Preis?“

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Mona Lisa und ihr Geheimnis

Manchmal ziehen wir falsche Schlüsse.
Wir könnten beispielsweise meinen, die Mona Lisa im schönen Louvre zu Paris wäre so ein berühmtes Kunstwerk, weil es sich um ein exquisites Stück Kunst handelt, eine Komposition von unschätzbarer Einmaligkeit ohne Gleichen.

Dies ist nicht nur das Porträt einer jungen Dame mit kapriziösem Lächeln, man sagt dem Gemälde nach, es sei nach dem Goldenen Schnitt erstellt worden, wobei sich Vordergrund, Mittel- und Hintergrund in vollkommener Ausgewogenheit präsentieren.

Die Farben des Kunstwerks schmeicheln dem Auge. Das Bildnis erweckt in uns ein Empfinden von Eleganz und höchster Kunstfertigkeit. Es wurde in la tecnica dello sfumato gemalt, um uns eine räumliche 3D Illusion auf einer platten 2D Leinwand vorzugaukeln. Es vermittelt beim Betrachter den Eindruck, in ein Fenster der Perfektion zu schauen.

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Lebens-Tonleitern

Was wird aufstrebenden jungen Ingenieurs-Unternehmern an der Stanford Universität als Grundlage geschäftlichen Erfolgs gelehrt?
Was braucht es, um weltumspannende Technik-Riesenkonzerne aufzubauen?

Sagt man ihnen, nun, es geht drum, die Leute mit speziellem Spezial Know-How zu beeindrucken?
Lehrt man sie, daß sie den Markt mittels neuester KI Marketing Strategie dominieren sollen?
Erklärt man ihnen, daß es drauf ankommt, den billigsten chinesischen Hersteller zu finden und weiter und weiter in die Sklavenarbeit zu investieren?

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Die besten Dinge

Die besten Dinge im Leben sind keine Dinge.
Das wissen wir alle.
Man kann sie nicht kaufen, nicht mal stehlen. Sie kommen daher, wenn man sie nicht erwartet. Und wenn man sie festhalten will, husch, entwischen sie einem in Nullkommanix.

In Donizettis Liebestrank erleben wir die Geschichte von Nemorino, der in Adina verliebt ist, die ihn aber verschmäht. Also kauft er einen teuren Liebestrank, um der Sachlage etwas nachzuhelfen. Netter Versuch! Am Ende der Oper sind sie tatsächlich ein Paar, allerdings nicht wegen des Elixirs, das nichts anderes als eine Flasche gewöhnlichen Rotweins ist.

Es funktioniert anders. Was uns dieses Meisterwerk des Belcanto deutlich macht.

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