In meiner Schulzeit wurden wir im Deutschunterricht gezwungen, über langweiligen Unsinn Aufsätze zu schreiben. Die Aufgabe lautete dann ungefähr so:
Wie interpretierst Du die ersten zwei Zeilen des experimentellen Gedichtes des postmodernen Existentialisten Hans-Jürgen Kipferlkübel?
(Und es folgte ein völlig unverständlicher Text ohne Grammatik, den niemals ein Mensch ohne Pistole im Nacken lesen würde).
Und natürlich – Du erratest es – schrieb ich für gewöhnlich nie, was gefordert wurde.
Statt dessen notierte ich, was mich grad beschäftigte, denn hej, darum gehts ja beim Schreiben!? Sich ausdrücken, Inspiration weitergeben, Ideen teilen, sein Herz mit Worten denken lassen. Und zwischendurch auch mal streifenfreien Klartext sprechen.
Eines Tages wars wieder soweit und ich bekam eine unerträgliche Schreibaufgabe. Das war zur Zeit des Irak Krieges und mich beschäftigte, wie es sowas wie Krieg überhaupt geben kann. Wer in aller Welt würde das tun: wen anderen töten? Jeder weiß, „Du sollst nicht töten!“ – oder? Das ist kein wirklich technisches Konzept.
Jeder Mensch ist jemand anderes Kind.
Und wurde einst in einer Familie großgezogen, wahrscheinlich zu irgendeinem Zeitpunkt sogar mit Liebe.
Und sollte die Zukunft dieser Familie sein, begleitet von Hoffnung und Zuversicht.
Wer zum Kuckuck würde jetzt hergehen und so jemand umbringen?
Und das, obwohl ohnehin klar ist, daß killen nur was für Geisteskranke ist?!
Offensichtlich waren alle Kriege in der Vergangenheit für – nichts. Rein gar nichts.
Außer um unsäglichen Horror, unnötige Tode und Geld für ein paar wenige zu erschaffen.
Wer zum Hengst würde bei sowas mitmachen?
Kriege gibt es letztlich nur, weil es Leute gibt, die unsinnige Aufgaben erfüllen. Durch MITMACHER. Ohne gehorsame Erwachsene wäre ein Krieg unmöglich. Keiner würde ihn ausführen.
Mein Lehrer war sauer, so etwas zu lesen. Wieder einmal.
Die wichtigen Dinge wie Leben, Tod, Krieg und Frieden hatten in dieser Art von Schule keinen Platz. Mir war klar, eine der beiden Aussagen mußte stimmen:
Ich war zu blöd für diese Schule oder diese Schule war zu blöd für mich.
Nachdem ich also auf mich selbst gestellt war, begann ich recht früh, mir meine eigenen Gedanken zu machen. Dafür sollte ich Hans-Jürgen Kipferlkübel im Grunde dankbar sein!
Was wäre etwas interessanter zu lernen als experimentellen Textunsinn?
– Uns gegenseitig beschützen,
– uns von Herzen ausdrücken,
– unsere Ideen teilen und
– Kreativität und Lebensfreude entwickeln.
Auf Leute, die jemand anderes Kinder sind, aufpassen und sie unterstützen.
Denn das ist der Kern jeder Kultur und auch der einer würdigen Erdengesellschaft.
Und das wäre etwas wichtiger als unsinnige erzwungene Gedichtinterpretation von grammatikfreier Papierbeschmutzung.
Herzlichst,
Anselma
p.s. Mir wurde die große Ehre zuteil, von Marc Duvernois für das berühmte Fou de basson Magazin interviewt zu werden. Er opferte 9 (neun!) Seiten für mich!? HIER ist es – also falls Du gern französisch liest :o)
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