Als Kind war ich eine recht lausige Geigenspielerin. Nichts desto trotz erzählten mir Leute immer wieder mal, daß sie mich für talentiert hielten. Zuweilen erzeugte das ein schlechtes Gewissen bei mir. Übte ich doch häufig nur einmal in der Woche – direkt vor der Stunde – so bewirkte das unverhoffte Lob fast ein Empfinden von Betrug auf meiner Seite…
Nunja, es gab dann später eine Wendung von Mindestmaßsäger zu passioniertem Carl-Flesch-Über (das sind die Tonleiter- und Akkord-Übungen für Geige) und diese kam zustande, weil ich die Gelegenheit hatte, mit Leuten zusammenzuspielen, die sehr viel besser waren als ich selbst.
Ich wurde Teil eines Streichquartetts und begann, mich in etwas reinzufreaken, was für gewöhnlich eher Widerstände erzeugt: nämlich zweite Geige spielen.
Leute möchten tendenziell erste Geige spielen. Erster sein ist schließlich toll und den ganzen Tag Melodie spielen macht auch was her.
Ich machte es mir gemütlich damit, die Nummer zwei zu sein.
Einerseits ermöglichte mir das, mit Leuten zu spielen, die wesentlich mehr drauf hatten als ich und außerdem wars mir ganz angenehm, nicht immer vorn an der Rampe zu stehen. Ich kriegte recht rasch mit, daß ein guter Co-Pilot sein auch eine Qualität für sich ist.
Sehr deutlich blieb mir in Erinnerung, was mich meine Geigen-Professorin an der Uni, Ulrike Danhofer (RIP, danke für den wundervollen Unterricht!!) gelehrt hatte.
Sie sagte: Ein guter Wein ist mehr als roter Saft. Genauso wie gute Musik mehr als ein bisserl Melodie ist.
Ein teurer Wein hat eine schöne Flasche, die alles zusammenhält. Das ist der Bass.
Auf der Flasche ist ein schönes Etikett, fesch gestaltet und mit einem klingenden Namen, auf den man stolz ist. Das ist die erste Geige, die jedermann bewundert.
Und jetzt kommt der Clue. Das, was tatsächlich IN der Flasche ist, der Wein selbst, sind die zweite Geige und die Bratsche. SIE entscheiden letztlich über die Qualität. SIE machen den eigentlichen Unterschied. SIE entscheiden ob das ein super-mega-wahnsinns Quartett ist – oder eben Durchschnitt.
Was bedeutet eine schöne Flasche und ein beeindruckendes Etikett, wenn der Wein selbst nichts taugt?
Ich erinnere mich, wie ich ein Fagottquartett mit jungen Künstlern zwischen 9 und 12 Jahren auf einen Wettbewerb hin trainierte. Es kam zu Eifersüchteleien, jeder wollte die erste Stimme spielen. Also erzählte ich ihnen die Geschichte vom guten Wein. Und ich spürte, wie sehr sie den Kernpunkt verstanden.
Nach dem Wettbewerb kamen zwei der Mütter auf mich zu. Sie hatten ihre Kinder gefragt, ob sie nicht viel lieber erste Stimme statt nur Begleitung spielen würden. Die Antwort war in beiden Fällen: „Aber Mama, ich bin doch der gute Wein! Wenn ich meine Stimme gut spiele, sind wir alle gut!“.
Das brachte mich zum Schmunzeln. Und es stimmt.
Im Leben gehts nicht drum, die erste Geige zu spielen.
Sondern darum, dort, wo man steht, sein Bestes zu geben.
Herzlichst,
Anselma
p.s. Fagott Professor Scott Pool aus Texas von der A&M Universität Corpus Christi hat unseren Tango inutile aufgenommen (aus Tango Etüden PRO). Inutile, dachte Scott, das klang sehr passend für die Fakultätsversammlung am Campus… :o) Danke für die tolle Einspielung!!
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