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Sollen oder nicht sollen

Was ist wichtiger: was ist, oder was sein sollte?
Sein oder sein sollte?

Als Lehrer oder Erzieher haben wir die Aufgabe herauszufinden, was Kinder am meisten unterstützt. Sie kommen zu uns, weil sie nicht perfekt sind in dem, was sie gerade lernen.

Sollen wir ihnen ein realistisches Bild von ihrem Istzustand geben, ihnen deutlich vermitteln, wo sie gerade stehen?
– Zu viel Realismus kann manchmal… äh, nun ja – etwas demotivierend sein…

Oder sollen wir ihren Fokus auf das lenken, was noch vor ihnen liegt, ihnen deutlich zeigen, wo sie hinsollen? Sollen wir auf die Karotte vor der Nase hinweisen, die sie antreibt?
– Das kann genauso demotivierend sein, denn niemand will angetrieben werden wie ein Esel.

 

Als ich Kind war hatte ich (aus irgendeinem Grund) beschlossen, daß es immer um das ging, was ich tun SOLLTE. Das schien erstrebenswert, denn Leute, die das Sollte erreichten, wurden – so kam es mir vor – mit Lob und Anerkennung überhäuft. Und hej, das wollte ich auch!!

Ich versuchte also, immer genau herauszufinden, was das gerade aktuell passende Sollte war. Ich studierte Gesichtsausdrücke und Tonfälle von Erwachsenen, um ein klares Bild des zu apportierenden Sollte zu bekommen. Ich lebte nach der Vorstellung: wenn ich nur alles richtig hinkriege – so wie’s eben sein SOLL, dann würde mich jeder mögen!

So schön und verlockend das klingt, ich glaube, ich muß Dir nicht erzählen, daß das im praktischen Leben nie wirklich funktioniert hat.

– Erstens, weil – selbst wenn ich ein super klares Bild von dem hatte, wie ich sein sollte – ich es deswegen nicht unbedingt praktisch UMSETZEN und TUN konnte und
– zweitens, machte mich die viele Beschäftigung mit dem Sollte nicht glücklich, weil ich zu hassen begann, wo ich tatsächlich war. ICH WAR JA NOCH NICHT DORT!

– Drittens schien das Sollte immerzu in der Zukunft zu bleiben, egal wie sehr ich mich anstrengte, dieses blöde Ding kam irgendwie nie in greifbare Nähe und
– viertens, ich machte die Erfahrung, selbst wenn ich mal alles perfekt so hinkriegte, wie ich sollte – auch ein blindes Huhn… eh schon wissen – mochte mich trotzdem NICHT JEDER! Unfair!!! Schweinerei!!!

 

Kurz gesagt: das Sollte war etwas, das alle Leute großartig aussehen ließ – nur mich nicht.

Die Frage ist also heute weniger sein oder sein sollte. Die Frage ist: „Wie kann ich meine Fagottschäfchen mehr und mehr und mehr und mehr – und nochmal mehr – in den Istzustand bringen?“ Und ich habe festgestellt, wenn ich dabei ein wirklich freundliches Ich bin, kann ich hier offen und realistisch sein, ohne daß es arg wehtut.

Die Wahrheit muß nicht schmerzen, aber sie macht noch immer frei. Denn sie zieht uns in den Moment, in die Gegenwart – und das ist der einzige Ort, an dem wir anfangen können uns zu mögen, uns selbst so zu nehmen, wie wir sind.

 

Wo ist Dein Fokus: beim Ist oder beim Sein Sollte?
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Herzlichst,
Anselma

 

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