Es war einmal ein kleines Schilfrohr, das an einem Bachlauf stand. Es schaute in die Welt hinaus und überlegte: Was möchte ich mit meinem Leben anstellen?
Es sah schöne blaue Schmetterlinge und dachte, ich möchte ihnen Stärkung bieten! Im Frühling werde ich reiche Blüten wachsen lassen!
Es sah stattliche Eichen und breitkronige Pappeln und bewunderte ihre Widerstandskraft und Langlebigkeit. Es dachte, ich möchte genauso stark werden wie sie! Wenn etwas Gutes in meinem Leben passiert, werde ich mir selbst und allen, die es herbeigebracht haben, meine aufrichtige Wertschätzung geben.
Und es tat genau das.
Es bemühte sich, stark wie ein mächtiger Baum zu werden und reiche Blüten zu tragen. Es gab sich selbst und all den Helfern herzliches Lob, wenn etwas Schönes geschah und streckte sich aus, wenn bunte Schmetterlinge vorbeikamen, um von ihnen gesehen zu werden und sie nähren zu können.
Eines Tages fegte ein heftiger Sturm über das Land. Majestätische Bäume erlitten Risse, verloren Äste oder fielen mit lautem Krachen zu Boden. Es war schrecklich!
Als sich danach wieder die Sonne zeigte, kam ein Schmetterling vorbei. Dieser bemerkte, daß das Schilfrohr unversehrt war und fragte neugierig: Wie konntest Du diesen entsetzlichen Sturm ohne Schaden überstehen?
Das Schilfrohr antwortete: Mein Leben ist recht einfach. Ich möchte schöne Tiere wie Dich nähren und ich möchte ganz stark werden. Um Stürme zu überstehen, beuge ich mich dem kalten Wind. Je stärker er weht, desto tiefer ducke ich mich vor seiner Kraft. Ich weiß, ich bin kein Baum und daß ich schwach bin. Bescheiden neige ich mich zu Boden, wenn eine höhere Gewalt auf mich zukommt. So überstehe ich schwierige Zeiten.
Diese kleine Geschichte, die ich für Dich erfunden haben, erinnert an die Basics.
Größe gilt es im Inneren zu entwickeln. Ungesehen von anderen, still und privat.
Wir plaudern nicht darüber, sondern entfalten für uns einen festen Kern. Dies geschieht durch die Lösungen, die wir für unsere Probleme finden und mit der wachsenden Durchhaltekraft, die wie hervorbringen, wenn es eng und zäh wird.
Manche Siege im Leben sind sehr klein, beinahe so, daß man sie übersieht. Machen wir es uns zu Gewohnheit, sie trotzdem wahrzunehmen, wird unser Inneres fest wie ein Fels in der Brandung im stürmischen Meer des Lebens.
Kleinheit im Außen zu zeigen ist mehr als gutes Benehmen.
Es ist nie verkehrt, der Welt ein bescheidenes Gesicht zu zeigen.
Danach zu streben, einen großen und bedeutsamen Eindruck zu machen, ist unsinnig. Denn unsere äußere Größe ist faktisch klein. Wir sind keine Elefanten, keine Berge und auch keine Planeten.
Wir sind Menschen, das heißt, wir sind voller Fehler und Unzulänglichkeiten.
Wir sind also klein und groß zugleich.
Klein im Außen und groß im Inneren, wenn wirs richtig machen.
Wir sollten diese beiden niemals durcheinanderbringen.
Am besten gelingt dies, indem wir andere ermutigen und aufbauen. Das läßt uns selbst aufblühen, bringt unser schönstes Selbst hervor und es zieht zauberhafte Schmetterlinge an.
Herzlichst,
Anselma