Im Portrait eines Brückenbauers stand, daß es kostenintensiver ist, Tunnel zu graben als Brücken zu bauen.
Beides, Brücken und Tunnel, helfen Menschen von A nach B zu kommen.
Brücken sind weithin sichtbar, Tunnel fast gar nicht.
Die Brücken zeigen der Gesellschaft: Wir machen was! Schaut alle her, diese Brücke war eine große Investition! Hier gibts was zu staunen und zu bewundern!
Tunnels sind genauso hilfreich – ziehen aber kaum Aufmerksamkeit auf sich.
Mein Mann und ich besuchten im Sommer die Semmering Bahn. Diese wurde ca. 1850 erbaut und verband die österreichische Hauptstadt mit der Adria über den Alpenkamm hinweg, sie war die erste Gebirgsbahn.
Die Semmering Bahn besteht aus Brücken und Tunnels. Was sie zur teuersten Unternehmung der damaligen Zeit machte, waren die Tunnels, nicht die architektonisch interessanten Brücken, die wir heute bestaunen.
Wenn wir lehren, helfen wir anderen von A nach B zu gelangen.
Auch hier gilt es, Brücken und Tunnels zu bauen, um Unterstützung zu geben.
Etwas zu lernen ist schwer und ein Weg voller Frustrationen, Mangel an Selbstvertrauen und Mangel an Motivation. Wir alle brauchen Hilfe dabei, diese zu überwinden.
Worauf sind wir als Lehrer ausgerichtet? Geht es uns darum, Brücken zu bauen, die allen Leuten zeigen, wir sind da, wir bringen Leistung!
Oder haben wir den Fokus darauf gerichtet, unsere Schützlinge durch die dunklen Wegstrecken als unerschütterliche Stütze zu begleiten? Dieses Unterfangen ist auf den ersten Blick weniger lohnend, denn unser Tun bleibt nahezu unsichtbar.
Kunst braucht ganz klar Augen und Ohren, die bestaunen, welche Brücken wir gebaut haben. (Und in Zeiten wie diesen wird klar ersichtlich was passiert, wenn diese Augen und Ohren ausbleiben – ohne Publikum stirbt die Kunst!).
Tunnels braucht es aber ebenso, wenn es ums Lehren geht, selbst wenn sie nahezu unsichtbar bleiben. Bauen wir Tunnels sind wir einfach eine Instanz, die stützt, hält und hilft, die großen Hindernisse zu navigieren.
Vielleicht ist dennoch genau das das Ruhmreichste, das wir als Menschen tun können! Wir leben unsere höhere Oktave, indem wir anderen dabei helfen, durch die Dunkelheit, durch Frust, Ängste und Versagen ihren Weg zu bahnen. Es macht uns zu Menschen mit Herz und voller Wohlwollen und erschafft ein gesundes Gemeinschaftsgefühl.
Tunnels und Brücken bauen, das ist unser Werk.
Unser Fokus sollte aber immer auf der harten Arbeit im Hintergrund bleiben.
Denn letztlich geht es nie um das Äußere, um den Schein und um die Lorbeeren. Es geht darum, für andere da zu sein.
Je bizarrer die Zeiten sind, desto mehr lernen wir alle, das zu verstehen.
Herzlichst,
Anselma
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