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Die Kunst des Unterstützens

Vor einiger Zeit waren mein Mann und ich in einem schönen österreichischen Thermenort. Als wir den Rückweg antraten, gingen wir zum Bahnhof und versuchten zu erkunden, wann der nächste Zug ging, der uns nach Hause bringen sollte.

Zu unserer Überraschung fanden wir am gesamten Bahnhof keinen Zugfahrplan. Weder außen am Bahnhofsgebäude, noch innen im Wartesaal.
Nirgends. Wir fanden keinen Hinweis, wann der nächste Zug ging.

Hä? Wie war das möglich? Ein Bahnhof ohne Fahrplan??
Schließlich fanden wir einen Herrn, der an diesem Bahnhof zu arbeiten schien. Wir fragten ihn, ob es einen Fahrplan gäbe oder eine Anzeige, wann der nächste Zug ging.

Er schaute uns verdutzt an und sein Tonfall ließ uns wissen, daß wir ihm lästig waren. Er sagte: „Na draußen!!! Auf der anderen Seite der Zugstation!!! Geht’s daaa rüber, dort hängt neben dem Gleis eeeh ein Fahrplan.“

 

Diese kleine Episode erinnerte mich daran, wie wir manchmal mit anderen Leuten umgehen.
Wir könnten die Dinge aus ihrer Perspektive sehen.
Wir könnten uns in sie hineinversetzen.
Wir könnten die Sachlage aus ihren Augen betrachten.
Aber wir tun es nicht.
Wir bleiben bei unserer Sichtweise – selbst wenn das den Empfänger vor den Kopf stößt und wenig mitfühlend ist.

Hätte nur eine Person der Zugfirma sich in einen Bahnkunden, der an diesem Bahnhof zugfahren will, hineinversetzt, wäre ihm aufgefallen, daß hier was nicht stimmt.

Manche Leute sind zum ersten Mal hier. Sie sind zum ersten Mal an diesem Bahnhof.
Sie möchten gut behandelt werden und gesehen werden in dem, was sie brauchen und wofür sie zahlen.

 

Wenn wir Musik unterrichten sind unsere Schüler auch zum ersten Mal hier.
Sie lernen neues Zeug und Fähigkeiten, die sie eben bisher noch nicht hatten.
Was sie brauchen ist, daß ihnen jemand beim Lernen hilft. Daß sie jemand sieht und hört in dem, was sie benötigen, dort, wo sie jetzt sind.
Sie brauchen, daß man sich in sie hineinversetzt.

Wie können wir unser Gegenüber am besten unterstützen?
Wie könnnen wir einfach da sein und unsere Schilder AM RICHTIGEN Platz aufhängen, nämlich dort, wo sie gebraucht werden?
Wie können wir noch aufmerksamer, herzlicher, unterstützender sein?

Diese Fragen helfen uns, daß wir nicht in unserem eigenen Kopf gefangen bleiben und in unserer eigenen kleinen Welt feststecken.

Jetzt bist Du dran.
Wie kannst Du jemand optimal unterstützen, der „zum ersten Mal hier“ ist?

 

Herzlichst,
Anselma

 

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